Trevor Noah: Comedian und Autor über sein Kinderbuch, die USA und die Krise der Late-Night-Shows

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SPIEGEL: Herr Noah, Sie können Deutsch, lernten die Sprache, weil Ihr Vater Deutschschweizer ist.

Noah: Nur ein wenig. Lassen Sie uns das Gespräch lieber auf Englisch führen.

SPIEGEL: Sie haben ein reich illustriertes Kinderbuch geschrieben. »Ins hohe Gras« handelt von einem Jungen, der mit einem Kuscheltier von zu Hause ausreißt, auch um Konflikten mit seiner Mutter zu entgehen. Im Prolog betonen Sie, es handle sich um ein Bilderbuch, kein Kinderbuch. Warum?

Noah: Weil es kein Buch ausschließlich für Kinder sein soll. Die Geschichten vieler Bücher, die ich als Kind gelesen habe, sind für Erwachsene viel bedeutsamer. Das gilt auch für einige Filme, die als Kinderfilme gelten – etwa »Shrek«.

SPIEGEL: Inwiefern?

Noah: Filme für Erwachsene sind manchmal zu simpel, die Welt wird dort schwarz-weiß gezeichnet. Kindergeschichten hingegen sind oft nuancierter, komplexer. Es gibt Geschichten, in denen der Bösewicht nicht nur schlecht ist und der Gute viele Eigenschaften hat, die man als böse bezeichnen könnte. In jedem von uns steckt ein Kind, das älter, aber nie wirklich erwachsen wird. Und in dem Buch wollte ich etwas beschreiben, was wir nicht wirklich beigebracht bekommen: Konflikte lösen und Kompromisse finden.

SPIEGEL: Der Junge kehrt am Ende nach Hause zurück, nachdem er sprechenden Schnecken beim Streitlösen zusehen konnte. Ein Wink in Richtung Politik?

Noah: Egal ob ich in den USA, Europa oder Südafrika bin, überall wird mir gesagt, dass Menschen jetzt wütender sind und Gesellschaften gespaltener. Dafür habe ich keine Lösung. Allerdings fängt vieles davon schon in jungen Jahren an – die erste Politik, der man ausgesetzt ist, ist doch die zwischen Eltern und Kindern. Gute Eltern kommunizieren mit ihren Kindern, damit sie verstehen, warum sie so sind, wie sie sind, und warum die Welt so ist, wie sie ist.

SPIEGEL: Sie haben sieben Jahre lang den Late-Night-Talk »The Daily Show« präsentiert. Die Sendung Ihres ehemaligen Kollegen Stephen Colbert bei CBS wird abgesetzt, der Mutterkonzern Paramount war zuvor ins Visier von Trump geraten. Vor ein paar Monaten wurde die ABC-Show von Jimmy Kimmel kurzzeitig abgewürgt, die der Disney-Konzern im Portfolio hat. Das alles unter dem Jubel von US-Präsident Donald Trump. Besorgt Sie diese Entwicklung?

Noah: Viele Leute übersehen das eigentliche Problem: Nicht Trump hat das durchgesetzt, sondern die Medienunternehmen. In den USA erleben wir eher eine Tyrannei der Konzerne als eine Tyrannei der Politik. Einigen wenigen Unternehmen gehören große Teile der sozialen Medien. Einigen wenigen Unternehmen gehören ganze Bereiche der Medien. Wie kann das eine gesunde Demokratie sein? Unternehmen und Konzerne haben sich in vielerlei Hinsicht eingeschlichen und Menschen viele Freiheiten genommen. Darin liegt die Krise: Wenn die Unternehmen hinter den Late-Night-Moderatoren nicht versucht hätten, Monopole zu bilden, und sie die Regierung nicht gebraucht hätten, um ihre Geschäfte zu genehmigen, dann hätten sie Jimmy Kimmel wohl nicht suspendiert, und Stephen Colbert wäre wahrscheinlich weiter auf Sendung.

SPIEGEL: Aber Trump hat die Unternehmen ja unter Druck gesetzt. Der US-Präsident ist wegen angeblicher Wahleinmischung gegen Paramount vor Gericht gezogen, der Konzern zahlte Trump in einem Vergleich 16 Millionen Dollar. Außerdem benötigte der Konzern die Zustimmung für eine Fusion mit Skydance von der US-Telekommunikationsaufsicht FCC, die unter Trumps Amtszeit zu einem seiner Instrumente geworden ist. Ebenso feuert der US-Präsident gern scharf gegen die ihn kritisierenden Showmaster.

Noah: Das ist nicht falsch, und ich will damit natürlich auch nicht sagen, dass es keine Probleme mit Trump gibt. Aber den Druck verspüren die Konzerne nur, weil es um Geld geht. Als Kimmel abgesetzt wurde, haben die Leute aus Protest ihre Disney-Abonnements gekündigt. Der Konzern hat dann realisiert, dass er dadurch Unmengen an Geld verliert. Dann wurde Kimmel zurückgeholt. So läuft es in den USA seit eh und je. Das liegt leider auch in der Natur des ungezügelten Kapitalismus: Man wird immer versuchen, so viel Geld wie möglich anzuhäufen und dabei alle moralischen Grundsätze über Bord werfen.

SPIEGEL: Das Klima in den USA wird rauer, gerade für migrantische Künstler. Sind Sie um sich selbst besorgt?

Noah: Nein, ich bin aber auch in einer glücklichen Lage. Ich verbringe viel Zeit in Südafrika, die USA betrachte ich nicht als meine einzige Option. Das habe ich auch nie. Ich war auch in Deutschland unterwegs, wo ich einige meiner schönsten Zeiten verbracht habe. Ich liebe Berlin, dort hat man eine garantiert gute Zeit, aber ich habe auch Dortmund geliebt.

SPIEGEL: Das hört man nicht alle Tage.

Noah: Ich kann einen Ort einfach wegen der Menschen und der Atmosphäre mögen, so war das in Dortmund. Auch in Köln übrigens, den Karneval mochte ich, die Altstadt ist wunderschön. Beide Städte sind auch sehr eigenwillig, aber ihre friedliche Einfachheit habe ich sehr genossen.

SPIEGEL: Können wir dann notieren, dass Deutschland eine Option für Sie ist?

Noah: Nicht mit euren Wintern!

SPIEGEL: Aber Sie haben sich in der Vergangenheit bereits positiv über Deutschland geäußert, etwa zur Erinnerungskultur.

Noah: Deutschland ist kein perfektes Land, aber es hat in dieser Hinsicht hervorragende Arbeit geleistet. Weil Deutschland als Nation gesagt hat: Wir dürfen nicht vergessen, wie es zur NS-Zeit und zum Holocaust kam. Es ist wichtig, das anzuerkennen – gleichzeitig aber auch, dass noch viel zu tun bleibt. Wenn Deutsche mir nun mitunter sagen, dass rechtsextreme Kräfte wachsen, dass Nazis wieder präsenter sind. Dann antworte ich, dass das leider vielerorts auf der Welt zu beobachten ist. In Deutschland sprechen die Menschen das wenigstens an.

SPIEGEL: Nehmen Sie das in anderen Ländern so anders wahr?

Noah: In den USA wollen sie häufig nicht über die schlechten Seiten ihrer Geschichte sprechen, über Sklaverei, über Bürgerrechtsverletzungen. Ich war schon an vielen Orten der Welt, wo man sich nicht zu seiner Geschichte bekennen will. Dort wirst du behandelt, als würdest du ein Problem schaffen wollen, wenn du darüber sprichst.

SPIEGEL: Fehlt Ihnen die »Daily Show«, die Sie 2022 auf eigenen Wunsch verließen?

Noah: Es gibt auf jeden Fall Momente, da fehlt mir die Arbeit, da fehlen mir die Menschen. Was ich allerdings nicht vermisse, ist es, jeden Tag die Nachrichten zu lesen. Das tut nicht gut. Jetzt fühle ich mich besser, mein Schlaf ist besser, mein Leben allgemein. Gleichzeitig weiß ich jetzt nicht mehr so viel und fühle mich manchmal ausgeschlossen – aber auch von der ständigen Angst, die die News einem bescheren.

SPIEGEL: Verzichten Sie auf soziale Medien?

Noah: Ja. Und ich würde jeden ermutigen, das ebenfalls zu tun. Wenn soziale Medien wissen, wie sie dich wütend machen können, werden sie dich noch wütender machen. Wenn sie wissen, wie sie dich traurig machen können, werden sie dich noch trauriger machen. Die Schwarz-Weiß-Gräben werden durch soziale Medien vertieft. Das ist für niemanden gesund.

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