Der Junge Georg trifft sich nachts mit einem Mädchen. Sie nennt sich Rosel von Melaten, und dort, auf dem Melatenfriedhof in Köln, wohnt sie auch. Georg besucht sie, und selbst das Grab, in dem sie schläft, schreckt ihn nicht. Ihre schrillen Schreie entschlüsselt er bald als Warnsignal: Rosel weist darauf hin, dass Kindern Gewalt angetan wird, kommt damit aber immer zu spät. Als Georg mit ihr loszieht, ist es anders. Es gelingt ihm, einen Jungen vor dem tödlichen Sturz aus dem Fenster zu retten. Er selbst aber kommt dabei ums Leben. Und zieht weiter mit Rosel um die Häuser, nun aber vom gemeinsamen Grab aus.
Text und Bilder des Buchs „Rosel von Melaten“ stammen von Nikolaus Heidelbach. Seine Handschrift erkennt man gut in den Illustrationen, die Fläche und Konturen betonen, und am Ernst in den Kindergesichtern. Als Autor eines längeren Textes aber betritt Heidelbach mit diesem Buch Neuland. Seine Erzählung ist schnörkellos und zeigt durchaus Gespür für das, was die Finsternis der Handlung trotz allem etwas aufhellen kann, für das Beglückende in der Freundschaft von Georg und Rosel. Aber sie weicht auch dem tragischen Ende nicht aus und der Perspektive, dass künftig zwei Geisterkinder gemeinsam schreien, um denen zu helfen, denen es besser gehen soll. Mit welchem Erfolg auch immer.
Heidelbach mit eigenem WerkMaria IrlNikolaus Heidelbach, geboren 1955 als Sohn des Künstlers Karl Heidelbach, hat mittlerweile ein Werk vorgelegt, das ihn zu einem Solitär unter seinen Kollegen macht. Auf dem Feld der Kinderbuchillustration, das gerade zur Zeit von Heidelbachs Anfängen in den Achtzigerjahren nicht wenig von einem Hang zur Niedlichkeit geprägt war, setzte er, gefördert vom Beltz & Gelberg-Verleger Hans-Joachim Gelberg, einen grundsätzlich anderen Akzent.
Der belässt Texten, allen voran den Märchen der Brüder Grimm oder Andersens, ihre schroffen Seiten – sah man je einen so tückischen Kamm wie den vergifteten aus „Schneewittchen“, oder je einen Zwerg – fast kahlköpfig, von hinten, mit resigniertem Blick am Glassarg vorbei ins weite Land – so trauern? Heidelbachs groteske, verrätselte, liebevolle Bilder sind mittlerweile fest im Kinderbuchkosmos verankert, gerade weil sie seine inhaltlichen und ästhetischen Grenzen mit großer Lust sprengen. Heute feiert der Künstler seinen siebzigsten Geburtstag.

vor 1 Tag
5









English (US) ·