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1. Friedrich Merz kann aufatmen – vorläufig
»Geradliniges Scheitern ist mehr wert als ein krummer Sieg«, hat der Theaterdichter Sophokles behauptet, aber die alten Griechen haben keineswegs immer recht. Heute Mittag hat der deutsche Bundeskanzler das Rentenpaket seiner Regierung nach vielen Diskussionen halbwegs glatt durch den Bundestag gebracht – und viele Menschen in Deutschland scheinen ziemlich erleichtert darüber zu sein, dass der vor allem innerhalb der Union ausgetragene Rentenstreit ein vorläufiges Ende hat.
Das Rentenpaket wurde mit 318 Stimmen und somit der sogenannten Kanzlermehrheit verabschiedet. »Der Streit über die Rente hat die Union wochenlang beansprucht, Merz’ Ansehen in der Union geschadet und die Schwächen seiner Führungsmannschaft erneut offenbart«, urteilt meine Kollegin Sophie Garbe aus dem SPIEGEL-Hauptstadtbüro. »Der Motor der einstigen Regierungsmaschine Union stottert.« (Hier mehr dazu .)
Das Rentenpaket ist beschlossen, der Streit über die Rente aber nicht beendet. Die Koalition hat versprochen, im kommenden Jahr grundlegende Reformen bei dem Thema anzugehen. Die SPD würde gern die Zahl der Beitragszahler erhöhen, Selbstständige und Abgeordnete einbeziehen. Die Union setzt hingegen unter anderem auf eine längere Lebensarbeitszeit.
Die Stimmung in der Koalition ist weiter abgekühlt. »Obwohl die Regierung noch kein Jahr im Amt ist, sind auf beiden Seiten bereits Verletzungen entstanden«, so meine Kollegin Sophie. »Union und SPD sind im Parlament als Koalition bisher nur bedingt zusammengewachsen, beäugen sich weiterhin oft misstrauisch.«
Lesen Sie hier mehr: Die drei Lehren aus der Rentendebatte
2. Netflix könnte demnächst genug Wirtschaftsmacht haben, um die Kinos zu killen
Die Wettbewerbsbehörden der USA müssen noch zustimmen, ansonsten steht der Deal: Der Streamingriese Netflix hat in der Bieterschlacht um den Medienkonzern Warner Bros. gesiegt. Die Kaufsumme soll 82,7 Milliarden US-Dollar betragen. Mein Kollege Oliver Kaever nennt den Übernahmeplan ein »vor wenigen Jahren noch unvorstellbares Szenario«. (Lesen Sie hier mehr .)
Mit dem Deal entstünde ein neuer Gigant auf dem amerikanischen und weltweiten Unterhaltungsmarkt. Netflix würde Herr über das Warner-Bros.-Filmstudio und die Fernseh-Edelmarke HBO; die eher mies laufenden Kabelsender des Konzerns würden dagegen in eine Art Bad Bank ausgelagert. »Ein solcher Deal beflügelt die Fantasie vieler Beobachter«, so mein Kollege Oliver. »Verbände und Künstler in Hollywood treibt er auf die Barrikaden.«
Die Ängste, die die mögliche Fusion in Hollywood auslöst, drehen sich um ganz konkrete Fragen. Etwa diese: Wie würde Netflix mit HBO umgehen, bisher einer der größten Konkurrenten im Streamingmarkt und bekannt für oft anspruchsvolle Produktionen? Zudem ist Netflix bekannt dafür, sich nicht sonderlich um die Kinoauswertung seiner Werke zu bemühen. Wenn überhaupt, schickt es einige wenige Filme in die Lichtspielhäuser, um sich für die Oscars zu qualifizieren. »Pessimisten sehen in einem etwaigen Zusammengehen der Konzerne schon den finalen Schlag«, berichtet Oliver, einen Hieb, »der das Kinosterben endgültig in apokalyptische Ausmaße treiben würde«.
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Krönt Netflix sich jetzt zum König von Hollywood – und killt die Kinos?
3. Die Strafe für X könnte die Beziehungen zwischen der EU und den USA belasten
Die EU-Kommission hat heute bekannt gegeben, dass die Onlineplattform X des Milliardärs Elon Musk 120 Millionen Euro Strafe wegen mangelnder Transparenz bezahlen soll, unter anderem, weil die Art der Verifikation bei X für Nutzer irreführend sei (hier mehr dazu).
Die EU-Kommission wirft dem Twitter-Nachfolger auch vor, Forschern Daten vorzuenthalten und geschaltete Werbung nicht transparent zu dokumentieren. Grundlage ist das Gesetz über digitale Dienste, der Digital Services Act (DSA). Das umfangreiche Regelwerk gilt seit Februar 2024 und soll gegen als gefährlich angesehene Praktiken von Techfirmen wirken.
Die Strafe könnte die Beziehungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten belasten. Es ist gut möglich, dass X rechtlich gegen die Entscheidung vorgehen wird und der Fall vor dem Europäischen Gerichtshof landet.
In den USA gibt es keinerlei mit dem DSA vergleichbares Gesetz. »Die EU ist viel zu schwach darin, ihre Digitalgesetze umzusetzen«, sagt mein Kollege Max Hoppenstedt. »Sie prüft mit zu wenig Ressourcen, ob Regeln verletzt werden oder nicht, und sie ahndet mutmaßliche Verstöße zu langsam. Das zeigt sich auch im Fall der heute verhängten Geldstrafe gegen X.«
Denn die Strafe betrifft nur eines der Verfahren gegen die Plattform. »Es gibt ein politisch noch relevanteres Verfahren: Darin geht es um den Vorwurf der EU, dass X zu wenig gegen die Verbreitung von illegalen Inhalten und Falschaussagen getan haben soll«, so mein Kollege Max. »Doch seit über einem Jahr geht es hier offenbar nicht voran. Möglicherweise traute sich die EU auch lange nicht durchzugreifen – aus Sorge, die US-Regierung bei anderen Streitthemen wie den Zöllen zu verärgern.«
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: EU verhängt Millionenstrafe gegen X wegen Transparenzmängeln
Was heute sonst noch wichtig ist
Tausende Jugendliche gehen gegen Wehrdienst auf die Straße: Während der Bundestag die Wehrdienstreform beschließt, schwänzen in vielen Städten junge Menschen die Schule, um zu protestieren. Mit Plakaten und Trillerpfeifen kritisieren sie das Vorhaben der Regierung.
Ist diese Impfung eine Therapie gegen Demenz?: Könnte eine Gürtelrose-Impfung das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen? Eine Studie macht Demenzpatienten Hoffnung.
»KI-Ära« ist das Wort des Jahres 2025: Nach »Ampel-Aus« im vergangenen Jahr ist »KI-Ära« das Wort des Jahres 2025 geworden. Die Begründung: KI sei aus dem Elfenbeinturm der wissenschaftlichen Forschung herausgetreten und habe die Mitte der Gesellschaft erreicht.
Meine Lieblingsgeschichte heute: Eine Stadt, gebaut aus Pizza und Speichen
Darsteller Liefers, Prahl
Foto: Frank Dicks / WDRIch bewundere meinen Kollegen Christian Buß für seine Leidensfähigkeit und Leidenschaft. Er sieht sich praktisch jeden »Tatort« an und schreibt ebenso kundige wie lustige Texte darüber. »Einen Münster-›Tatort‹ nachzuerzählen, ist, wie die Botschaft eines Glückskekses zu interpretieren«, berichtet er diesmal über den aktuellen Sonntagskrimi im Ersten. Der Schauspieler Axel Prahl, mutmaßt Christian, »hatte beim Dreh möglicherweise eine Kehlkopfentzündung, sodass sein Kommissar Thiel wie ein Black-Metal-Growler klingt«. Ansonsten sei es wie meistens im Münster-»Tatort«: Das Verbrechen führe das Publikum tief in die Stadtgesellschaft und in die Konflikte alteingesessener Familien hinein. »Boerne poliert penibel exhumierte Schädel, Thiel schiebt sich eine fettige, dampfende Pizza rein. Ohne die wird in Münster ja kein Fall gelöst.«
Lesen Sie hier die ganze Geschichte: Eine Stadt, gebaut aus Pizza und Speichen
Was heute weniger wichtig ist
Schmeiß die Kinder aus dem Chat: Die US-amerikanische Entertainerin Oprah Winfrey, 71, hat Australiens Entscheidung gelobt, soziale Medien für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren zu verbieten. »Ich glaube, Sie werden das Leben einer ganzen Generation von Kindern verändern«, sagte Winfrey, die als Gelegenheitsschauspielerin in Filmen wie »Schmeiß die Mama aus dem Zug« (1987) zu bewundern ist. Das am 10. Dezember in Kraft tretende australische Gesetz verwehrt Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Plattformen wie TikTok, Instagram oder Snapchat. Vom Verbot erhofft sich Winfrey Besserung für junge Menschen, »die nicht wirklich kommunizieren oder ein Gespräch führen können«.
Hinweis in einem Restaurant in Aachen
Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Thomas Plaßmann
Schauspieler Clooney in »Jay Kelly«
Foto:Peter Mountain / Netflix
Könnten Sie sich den Film »Jay Kelly« mit George Clooney beim fast allmächtigen Streamingdienst (siehe oben) Netflix ansehen.
Der von Clooney gespielte Titelheld, ein erfolgreicher Hollywoodstar am Ende seiner Karriere, scheint ein echt netter Kerl ohne viele Allüren zu sein, schreibt mein Kollege Andreas Borcholte in seiner Kritik zum Film . »Doch sehen das nicht alle so: Sein Manager, seine Publizistin, seine entfremdeten Töchter und auch der dem Tode nahe Altregisseur, der Kelly einst entdeckte, sie alle müssen erleben, dass dieser strahlende Mr. Nice Guy auch seine egozentrischen Seiten hat.«
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Wolfgang Höbel, Autor im Kulturressort

vor 10 Stunden
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