Ob Bewerbungsgespräch, ärztliche Beratung oder Gerichtsanhörung – Videokonferenzen prägen längst das Berufs- und Sozialleben. Doch laut einer am Mittwoch im Fachjournal »Nature« veröffentlichten Studie haben schon kleine technische Störungen spürbare Folgen: Wenn das Bild einfriert, der Ton verzerrt oder stockt, sinkt das Vertrauen in die Person auf der anderen Seite des Bildschirms – und mitunter sogar ihre Chancen im Berufsleben.
Das Forschungsteam um Jacqueline Rifkin von der York University und Melanie Brucks von der Columbia Business School fand heraus, dass sogenannte Glitches die Illusion eines echten Gesprächs zerstören. In mehreren Experimenten untersuchten die Forschenden, wie sich diese Unterbrechungen auf Urteile, Sympathie und Entscheidungsverhalten auswirken. Mehr als 3000 Versuchspersonen sahen etwa Bewerbungsgespräche über simulierte Videocalls. Fiel im Gespräch kurzzeitig das Bild oder der Ton aus, sank die Wahrscheinlichkeit einer Jobempfehlung deutlich.
In einem weiteren Versuch hörten 497 Probandinnen und Probanden einer virtuellen ärztlichen Beratung zu. Ohne technische Störung gaben 77 Prozent an, Vertrauen in die Medizinerin oder den Mediziner zu haben – bei einer wackeligen Verbindung waren es nur 61 Prozent. Auch reale Daten aus 472 US-Bewährungsanhörungen mit Inhaftierten bestätigen den Effekt: Wenn die Bild- oder Tonübertragung stockte, erhielten deutlich weniger Gefangene ihre Entlassung auf Bewährung.
»Glitches gefährden punktuell die Wahrnehmung von Menschlichkeit«
Solche Störungen zerstören die visuelle und auditive Kontinuität, auf die das Gehirn unbewusst vertraut, schreiben die Autorinnen. Verzerrte Gesichter, asynchrone Mundbewegungen oder Echoeffekte wirken »seltsam« – im englischen Original »eerie« oder »uncanny«.
An der Untersuchung nicht beteiligte Fachleute sehen darin eine ernste Verzerrung moderner Kommunikation. So hält der Neu-Ulmer Wirtschaftspsychologe Johannes Basch die Studie für »grundsätzlich solide« und ihre Befunde für »sehr plausibel«. Glitches, so Basch, »unterbrechen die Illusion, einer real anwesenden Person gegenüberzusitzen – und mindern so die wahrgenommene soziale Präsenz«. Besonders in Videointerviews könne das Bewerberinnen und Bewerber benachteiligen.
Auch Lisa Handke, Juniorprofessorin in Erlangen-Nürnberg, hält die Ergebnisse für robust – zumindest in Situationen, in denen sich Teilnehmende noch nicht kennen. »Glitches gefährden punktuell die Wahrnehmung von Menschlichkeit«, sagt Handke. Bei vertrauten Personen könne der Effekt tendenziell schwächer ausfallen.

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