Die rund 900 deutschen Netzbetreiber brauchen in den kommenden zehn Jahren rund 68 Milliarden Euro an zusätzlichem Eigenkapital, damit der Um- und Ausbau der Strom- und Wärmenetze gelingt. Das zeigen Berechnungen der Denkfabrik Agora Energiewende, der Stiftung Klimaneutralität und des Dezernat Zukunft, die dem SPIEGEL vorliegen.
Die 68 Milliarden sind nur die Grundlage, die die Firmen benötigen, um nochmals weit höhere Kredite aufzunehmen. Insgesamt werde die Infrastruktur für eine klimaneutrale Energieversorgung rund 627 Milliarden Euro kosten, schreiben die Expertinnen und Experten in ihrer Studie. Doch gerade die 68 Milliarden an Eigenkapital seien das große Nadelöhr. Denn ein Großteil der Firmen hat Kommunen als Gesellschafter, und die sind oft gerade ziemlich klamm. Erst 2024 haben die Kommunen das größte Defizit in der Geschichte der Bundesrepublik verbucht. Entsprechend schwierig dürfte es für sie werden, frisches Eigenkapital zuzuschießen.
Haupthebel sollen staatliche Kreditgarantien sein. Sie sollen die Risiken für Banken verringern, sodass diese mehr Fremdkapital beisteuern. Allein dadurch könne der Eigenkapitalbedarf um rund 36,6 Milliarden Euro sinken, schreiben die drei Thinktanks.
Etwa weitere 19,5 Milliarden ließen sich nach ihren Analysen auf dem klassischen Weg mobilisieren – also indem die Anteilseigner der Firmen frisches Kapital zuschießen oder für eine Zeit auf einen Teil ihrer Gewinnausschüttungen verzichten. Bei den klammen Kommunen sei hier zwar wenig zu holen, aber manche der Netzbetreiber seien eben auch private Konzerne und wohlhabendere Stadtwerke. Und diese hätten durchaus finanziellen Spielraum. Das legten zumindest die Bilanzkennzahlen nahe, die man ausgewertet habe.
Für die verbleibende Lücke von rund 11,9 Milliarden Euro empfehlen die Autorinnen und Autoren ein neues Instrument. Die Firmen sollen ihre anstehenden Projekte in eigene Gesellschaften ausgliedern – mit Gewinn- und Verlustrechnungen für das jeweilige Projekt. All diese Projektgesellschaften wiederum sollen in einem »Deutschlandfonds« gebündelt werden, in den dann der Staat als Anteilseigner mit einsteigt. Das wiederum soll auch private Investoren anziehen.
Die Projektgesellschaften haben laut den Studienautoren zwei Vorteile. »Die Gewinne aus den einzelnen Projekten fließen erstens nicht in die Kommunen ab«, sagt Uta Weiß Co-Autorin von Agora Energiewende. »Dazu können sich durch die Bündelung der Projekte auch große Investoren wie Pensionskassen beteiligen. Die einzelnen Projekte wären solchen Geldgebern zu klein.«
Für die Netzbranche seien solche Projektgesellschaften noch unkonventionell, so Weiß. Doch in anderen Wirtschaftsbereichen seien sie längst gängig. »Es werden zum Beispiel viele Windparks so finanziert.«
Die Netzbetreiber reagieren auf den letzten Vorschlag dennoch skeptisch. Gerade Firmen, die Kommunen als größte Anteilseigner hätten, dürften wenig begeistert sein, heißt es in der Branche. Schließlich sollen die Netzbetreiber ihnen ja gerade ihre Schwimmbäder und Bibliotheken querfinanzieren.

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