Eine schwere Niederlage bei der Bundestagsabstimmung über die Rente ist für die schwarz-rote Koalition wohl abgewendet. Die geplante Enthaltung der Linkspartei senkt die Anzahl der nötigen Stimmen. Doch Vizekanzler und Bundesfinanzminister Lars Klingbeil setzt sich weiter für eine eigene Mehrheit von Union und SPD ein.
»Es geht jetzt darum, bis Freitag auch eine eigene Mehrheit zu organisieren«, sagte der SPD-Chef in der ARD-Sendung »Maischberger«.
»Ich bin wirklich dankbar, wie verantwortungsvoll die Partei Die Linke sich da im Parlament verhält«, betonte Klingbeil. »Aber mein Anspruch ist schon, dass wir eine eigene Mehrheit haben.« Diese Koalition werde in den nächsten dreieinhalb Jahren sehr viele Entscheidungen zu treffen haben »und wir können nicht immer davon ausgehen, dass die Linken oder dass die Grünen uns da zur Seite springen«, mahnte er.
Die Linkenfraktion hatte angekündigt, sich bei der Abstimmung im Bundestag zu enthalten. Sie erleichtert damit die Verabschiedung des Rentengesetzes erheblich. Weil Enthaltungen bei der Berechnung einer einfachen Mehrheit nicht mitgezählt werden, könnte Schwarz-Rot dann auch bei Gegenstimmen aus der Unionsfraktion einfacher auf ausreichend Zustimmung kommen.
Sollten sich alle 64 Linke-Abgeordneten enthalten, würde die erforderliche Mehrheit bei Anwesenheit aller anderen Abgeordneten auf 284 Stimmen schrumpfen. Die Koalition hat 328 Stimmen und hätte damit einen komfortablen Puffer von 44 Stimmen.
Die Führung will trotzdem um jede einzelne Stimme zu kämpfen. »Wir wollen eine eigene Mehrheit sicherstellen und verlassen uns nicht darauf, was die Opposition tut oder nicht tut«, sagte Parlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger (CDU) dem Nachrichtenportal »t-online«.
Namentliche Abstimmung geplannt
Einzelne mögliche Abweichler der Unionsfraktion sorgen seit Tagen für Debatten. Die Junge Gruppe hatte wegen zukünftiger Milliardenkosten mit Nein gedroht – ein Scheitern des Rentenpakets könnte aber einen Zerfall der gesamten Koalition einläuten, so die Sorge.
Den Anspruch des SPD-Vorsitzenden Klingbeil wird auch in der Fraktion geteilt: Einen Tag vor der entscheidenden Abstimmung zeigte sich die sozialpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Annika Klose optimistisch, dass es eine Mehrheit für die Koalitionspläne gibt. »Ich erwarte für Freitag, dass wir eine Mehrheit haben«, sagte Klose der Deutsche-Presseagentur.
Im Sozialausschuss des Bundestags, wo Klose als Obfrau ihrer Fraktion sitzt, war das viel diskutierte Gesetz von Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) mit den Stimmen der Koalition am Mittwoch durchgegangen. Im Plenum am Freitag ist aber eine namentliche Abstimmung angesetzt.
Schwieriges Verhältnis zur Linken
Der Gesetzentwurf, für den auch Kanzler Friedrich Merz (CDU) geworben hatte, sieht ein Rentenniveau – also das Verhältnis der gesetzlichen Rente eines Standardrentners mit 45 Beitragsjahren zum Durchschnittsverdienst aller Erwerbstätigen – von 48 Prozent bis 2031 vor, was in der Koalition unstrittig ist. Allerdings soll das Rentenniveau auch nach 2031 über dem Wert liegen, den es ohne Gesetz hätte. Das lehnen die Kritiker von der Union ab, weil es Milliarden kosten würde. Daneben soll mit dem Gesetz die Mütterrente erweitert werden – was besonders der CSU ein Anliegen war.
Für die Union wäre eine Hilfestellung der Linken bei der Verabschiedung des Gesetzes brisant. Die CDU hat eine koalitionsähnliche Zusammenarbeit mit der Partei 2018 mit einem Parteitagsbeschluss ausgeschlossen.
Der Grünen-Sozialexperte Armin Grau sagte: »Friedrich Merz ist ein Kanzler ohne sichere eigene Mehrheit. Das ist ein schlechtes Zeichen für die politische Lage im Land, insbesondere weil es sich beim Rentenpaket um ein zentrales Vorhaben der Koalition handelt.«
Die Bundesregierung will noch im Dezember eine Politiker- und Experten-Kommission einsetzen, die bis zum kommenden Sommer Vorschläge für eine grundsätzliche Rentenreform machen soll. Klose versicherte, dass die SPD reformorientiert an das Vorhaben herangehe. Am Reformwillen der SPD hatte die Junge Gruppe gezweifelt.
Wie die Führung der Unionsfraktion versucht, die Mehrheit der Koalition für das Rentenpaket zu organisieren, erfahren Sie hier .

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