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Katerstimmung nach den Friedensverhandlungen in Moskau
Für einen Moment sah es in dieser Woche so aus, als ob man einem baldigen Frieden in der Ukraine vielleicht, vielleicht etwas näherkommen könnte. Die US-Delegation um Trumps Unterhändler Steve Witkoff und Trump-Schwiegersohn Jared Kushner, beide in Diplomatie bisher weitgehend unerfahren, erhörte die Einwände der Europäer, die den ersten 28-Punkte-Plan für einen Frieden für viel zu russlandfreundlich hielten. Mit einer neuen, auch für die Ukraine vertretbaren Version wurden sie dann in Moskau vorstellig.
US-Unterhändler Steve Witkoff und Jared Kushner
Foto: Kristina Kormilitsyna / AFPPräsident Wladimir Putin empfing sie im Kreml und redete immerhin fünf Stunden mit den beiden Amerikanern, nachdem er sich zuvor äußerst garstig über europäische Staatschefs geäußert hatte (mehr dazu hier ).
Redet man fünf Stunden lang miteinander, wenn man zu keinem Ergebnis kommen will? Eher nicht, sollte man meinen. Doch am Tag danach, so hört man, herrschte in den europäischen Hauptstädten eher Katerstimmung. Das Misstrauen der Europäer gilt dabei zwei Seiten: Groß ist die Sorge, dass Putin nur auf Zeit spielt und vor allem in der Frage der von der Ukraine an Russland abzutretenden Territorien keine Gesprächsbereitschaft erkennen lässt. Damit wären die Verhandlungen vorläufig in einer Sackgasse angekommen.
Groß ist aber auch das Misstrauen gegenüber den unerfahrenen US-Unterhändlern. Tatsächlich können sich die Europäer nicht sicher sein, ob Witkoff und Kushner ihre Interessen mit dem nötigen Nachdruck gegenüber den Russen vertreten. Vollkommen unklar ist an diesem Dezemberdonnerstag auch, wie es nun weitergeht.
Festzustehen scheint nur, dass sich die Europäer auf niemanden mehr verlassen können, wie Kanzler Friedrich Merz heute erstaunlich deutlich in einem Gastbeitrag für die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« schreibt: »Es liegt damit in unserer Hand, nicht nur die Ukraine zu stärken, sondern auch ein unmissverständliches Signal an Moskau zu senden, dass eine Fortsetzung dieses Angriffskrieges sinnlos ist«, schreibt Merz da.
Mehr Hintergründe hier: Diese Optionen hat die Ukraine jetzt
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Die Europäer versagen im entscheidenden Moment: Über das Schicksal der Ukraine verhandeln die USA mit Russland. Und die EU? Steht am Seitenrand – und lähmt sich selbst. Das könnten die Europäer womöglich noch bitter bereuen .
Wie nur bekommt man das eingefrorene russische Vermögen frei?
Je verfahrener die Friedensverhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in diesen Tagen erscheinen, desto wichtiger wird eine Option B für den Fall ihres Scheiterns. In Brüssel arbeiten seit Wochen ziemlich viele Menschen an einer solchen Alternative – mit allen Hindernissen, die dazu gehören.
Das Gebäude der privaten Finanzgesellschaft »Euroclear« in Brüssel
Foto: Geert Vanden Wijngaert / APEine der möglichen Lösungen hat sogar eine Adresse: Sie lautet: 1, Boulevard du Roi Albert II., Brüssel. Dort steht ein 16-stöckiger, moderner Büroturm, an dem kein Namenszug an der Fassade auf das hinweist, was im Innern des Gebäudes geschieht. Es ist der Sitz des Finanzdienstleisters »Euroclear«, der die »Frozen Assets« der Russen verwaltet. 193 Milliarden Euro sind es insgesamt, ungefähr 180 Milliarden davon gehören der russischen Zentralbank. Der Rest ist im Besitz privater, russischer Unternehmen.
Seit geraumer Zeit überlegen die Europäer, wie sie dieses Geld für die Ukraine nutzbar machen können. Bisher überwies man nur die erwirtschafteten Zinsen der eingefrorenen Milliarden weiter. Um die Ukraine aber kriegsfähig zu halten gegenüber dem Aggressor Russland, braucht man sehr viel mehr Geld.
Bereits im Oktober stellte Kanzler Friedrich Merz den damals noch nicht sehr ausgereiften Plan vor, ungefähr 140 Milliarden der russischen »Frozen Assets« an die Ukraine als zinslosen Kredit zu übertragen. Juristisch ist das ein schwieriges Unterfangen. Sollten die Sanktionen gegen Russland von den EU-Mitgliedsländern nicht verlängert werden, was alle sechs Monate von allen Mitgliedstaaten neu genehmigt werden muss, könnte Russland die eingefrorene Summe zurückfordern. Wenn sie aber bereits an die Ukraine vergeben wurde, wer steht dann für die vielen Milliarden ein? Die EU-Mitgliedstaaten? Die Europäische Zentralbank (die bereits dankend ablehnte)? Der belgische Staat?
Nicht nur die Privatgesellschaft Euroclear, auch die belgische Regierung lehnt es derzeit ab, alle rechtlichen und finanziellen Risiken einer solchen Lösung allein zu tragen (mehr dazu hier). Um dieser Sorge gerecht zu werden, präsentierte EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen nun in verschiedenen Rechtstexten Vorschläge für Schutzmechanismen. Die große, letztendlich fast kriegsentscheidende Frage ist, ob diese Maßnahmen den Belgiern, die um ihren Finanzstandort fürchten, reichen werden.
Mehr Hintergründe hier: Von der Leyen legt Plan zur Nutzung russischer Vermögen vor
Frankreichs Präsident auf Staatsbesuch in China
Mitten in dieser bewegten Woche ist der französische Präsident Emmanuel Macron gestern nach China gefahren, wo er bis Freitag bleiben wird. Es ist bereits sein vierter Besuch in der Volksrepublik. Zu Beginn seiner Amtszeit reiste Macron mit großen Delegationen französischer Unternehmer an, in der Hoffnung auf neue Geschäfte. Jahre später weiß man, dies blieb eine Hoffnung. Das Handelsdefizit Frankreichs gegenüber China lag im vergangenen Jahr bei 47 Milliarden Euro; innerhalb eines Jahrzehnts hat es sich damit verdoppelt. Chinesische E-Autos trugen zu diesem Ungleichgewicht bei, aber auch die Produkte umstrittener Billigtextilketten wie Shein und Temu.
Präsidenten-Ehepaar Brigitte und Emmanuel Macron bei ihrer Ankunft in Peking
Foto: Ludovic Marin / AFPEs sei dringend notwendig, dass China mehr konsumiere und weniger exportiere, hieß es dazu vor dem Staatsbesuch Macrons aus dem Élysée-Palast in Paris. Die Europäer wiederum müssten weniger sparen und mehr produzieren, damit die Beziehungen zwischen den großen Wirtschaftsmächten in Zukunft ausgeglichener werden. Was stimmt, aber mit Formeln wie diesen wird sich das kaum erreichen lassen.
Es bleibt nicht allein bei diesem Konflikt. Seit Februar 2022 versucht Macron, die chinesische Führung davon zu überzeugen, ihren Einfluss auf Russland zu nutzen, um den Krieg in der Ukraine zu beenden. Auch das erwies sich bisher als vergeblich. China liefert nach wie vor wichtige Bestandteile von Drohnen an Moskau. Wie die »Financial Times« vor wenigen Tagen enthüllte, ist ein chinesischer Unternehmer inzwischen sogar Anteilseigner der russischen Firma, die in diesem Krieg die wichtige Angriffsdrohne VT-40 produziert.
Präsident Xi Jinping tut trotzdem so, als sei dies alles normal und Macron sein bester Freund. Normalerweise empfängt der chinesische Präsident seine ausländischen Gäste vorwiegend im Palast des Volkes in Peking und verlässt bei Staatsbesuchen die Stadt nicht. Dieses Mal aber macht er eine Ausnahme: Xi wird Macron nach Chengdu, eine der ältesten Städte des Landes, begleiten.
Mehr Hintergründe hier: Chinas Exportkontrollen erschüttern Vertrauen europäischer Unternehmen
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So sah es im Gästezimmer der Jeromins im vergangenen Jahr aus
Foto: Julian Stratenschulte / dpa…ist der Weihnachtsbaum, zumindest im niedersächsischen Rinteln bei Hannover. Dort wird das Ehepaar Susanne und Thomas Jeromin heute 621 geschmückte Weihnachtsbäume in ihrem 180 Quadratmeter großen Haus aufstellen. Weil man seit Kurzem weiß, wie überladen selbst das geräumige Weiße Haus in Washington mit nur 51 Bäumen aussehen kann, ist Schlimmstes zu befürchten. Aber die Jeromins machen das alles nicht, damit ihr Zuhause schön aussieht. Sie wollen vor allem ihren eigenen Rekord brechen: Im letzten Jahr hatten sie nur 600 geschmückte Bäume, drei davon im Bad. Das sah dann doch ein wenig zu kahl aus.
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