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1. Der Müllmann
Ich lege Ihnen zwei Texte ans Herz, in beiden geht es um Müll. Im ersten erzählt Ali Kizilay, 25, von seinem Job, er ist seit März Müllwerker. Er steht um 4.20 Uhr auf, fährt mit der S-Bahn nach Frankfurt-Heddernheim und dann geht es los: Tonne greifen, kippen, schieben. »Die Arbeit als Müllwerker war zwar kein Kindheitstraum«, sagt Kizilay. »Aber sie ist ein ehrlicher Job, der mich stolz macht.«
Im zweiten Text geht es um Donald Trump, Milliardär und US-Präsident mit einer Vorliebe für rhetorische Malice. In einer live übertragenen Kabinettssitzung hat er Migranten als Müll bezeichnet. Es sei falsch, »weiter Müll in unser Land zu lassen«, so der US-Präsident der größten Volkswirtschaft der Welt, dem »land of the free«. Ja, der Trump, gegen den gleich mehrere Strafverfahren liefen. Wegen Wahlbeeinflussung. Wegen des Sturms aufs Kapitol. Und wegen einer Schweigegeld-Affäre. Macht und Moral.
Ali Kizilay, der Frankfurter Müllwerker mit türkischen Wurzeln, erzählt im ersten Text übrigens, warum er keine größeren Geldgeschenke annimmt. »Weil der Eindruck entstehen könnte, ich würde dafür einen Gefallen tun – zum Beispiel eine Tonne extra mitnehmen oder eine Sonderbehandlung geben. Das wäre unfair gegenüber allen anderen«, so Kizilay. »Ein freundliches Danke oder ein kleines Lächeln reichen mir völlig.«
Edel sei der Mensch. Hilfreich und gut.
Hier lesen Sie die Analyse zu Trumps verrutschter Rhetorik und seiner Migrationspolitik: Dieser Müll ist selbst für Trump ein Tiefpunkt .
Und hier die Geschichte über Müllwerker Ali Kizilay: »Manche denken, wir verdienen wenig, aber das stimmt nicht« .
2. Gottschalks letzte Wette
Es war ein windiger Morgen, die schwere Außentür des SPIEGEL fiel gerade zu, da wurde sie mir von innen aufgehalten.
Von Thomas Gottschalk. »Es ist mir eine Ehre und Pflicht – man weiß schließlich nie, wer als Nächstes über mich schreibt«, sagte er mit seinem Fernsehlächeln, das eine ganze Stadthalle wärmen kann. Weiter ging es zur Redaktionskonferenz, Gottschalk war zur SPIEGEL-Heftkritik eingeladen. Das war noch weit vor dem »Bambi«-Eklat. Vor den Sexismus-Vorwürfen. Und ja, meine Begegnung war denkbar kurz. Aber ich weiß seitdem genau, was mein Kollege Alexander Kühn meint, wenn er über die schwere Krebserkrankung des Moderators schreibt: »Gottschalk wird künftig zwar kein Showmaster mehr sein, etliche seiner verrückten Anzüge hat er bereits ausgemustert. Aber vielleicht kann er sich das Lächeln bewahren, das schon immer gesagt hat: Ich schaffe das.«
Lesen Sie hier Alexanders Geschichte. Er hat Gottschalk im Gegensatz zu mir schon oft getroffen und ihn durch all die Höhen und Tiefen der Karriere begleitet: Seine letzte Wette
3. Toxisch loben
Es gibt Worte, die sind giftig. Verdienstvoll zum Beispiel. Übersetzung: überflüssig. Oder auch: nett. Übersetzung: gähn. Das natürliche Habitat dieser toxischen Wörter ist das Arbeitszeugnis: Wer hier als gesellig bezeichnet wird, hat in Wahrheit ein Alkoholproblem. Wer mit »größter Genauigkeit« vorging, ist ein Erbsenzähler. Und »arbeitete beständig« heißt schlicht: lahm.
Üblich sind solche maskierten Schmähungen auch in der Politik. Jüngstes Beispiel: Lars Klingbeil. »Ich bin wirklich dankbar, wie verantwortungsvoll die Partei Die Linke sich da im Parlament verhält«, so kommentierte der SPD-Chef die Ankündigung der Linkenfraktion, sich bei der Abstimmung zum Rentengesetz zu enthalten. Dankbar. Verantwortungsvoll. Vergiftetes Lob. Wobei der rhetorische Pfeil gar nicht mal gegen Heidi Reichinneks Mannschaft fliegt. Sondern selbstverständlich gegen die Union. Übersetzung: »Mein Anspruch ist schon, dass wir eine eigene Mehrheit haben.« Ob die zustande kommt? Wenn sich alle 64 Linkenabgeordneten enthalten, schrumpft die erforderliche Mehrheit auf 284 Stimmen. Schwarz-Rot hat 328 Stimmen – ein komfortabler Puffer von 44 Stimmen. Aber wie viele Abweichler werden es sein?
»Für Friedrich Merz und Unionsfraktionschef Jens Spahn wäre es eine Blamage, wenn das Gesetz nur dank Hilfe der Linken beschlossen würde«, schreibt meine Kollegin Anna Reimann. »Das ganze Gerede über den Unvereinbarkeitsbeschluss wirkte dann noch unglaubwürdiger.« Übersetzung: ein vergiftetes Hilfsangebot.
Lesen Sie hier Annas Kommentar: Die Linke treibt die Union vor sich her
Meine Lieblingsgeschichte: Man ist so jung, wie man hört
Die Ärzte im Jahr 1987: »Darauf können wir uns einigen«
Foto:Fryderyk Gabowicz / United Archives / picture alliance
Mein musikalisches Alter? 31. Spotify versteht es zu schmeicheln, ich werde in drei Wochen 46. Ich habe Fragen: Ist das vielleicht ein Mittelwert? Dann liegt es wahrscheinlich am »Bibi und Tina«-Binge meiner siebenjährigen Tochter. Zum Kochen höre ich, das wäre dann das andere Ende der Skala, am liebsten Black Sabbath, Gründungsjahr 1969. Schon mal zu »War Pigs« Zwiebeln gehackt? Zum Weinen. Ohne Altersfreigabe.
Meine Kollegin Elisa Schwarze hat die größten Überraschungen beim Spotify-Musikalter in unserer Redaktion gesammelt. Ihr Fazit: »Es gibt auch Menschen, bei denen Spotify richtig liegt. Aber die sind eindeutig in der Unterzahl.«
Lesen Sie selbst: Musikalischer Vorruhestand
Was heute weniger wichtig ist
Now he can buy flowers: Miley Cyrus, 33, hat sich mit dem Schlagzeuger Maxx Morando, 27, verlobt. »Ich war so, so, so überrascht«, sagte die Sängerin, die noch vor zwei Jahren im Song »Flowers« ihre erste gescheiterte Ehe mit dem Schauspieler Liam Hemsworth, 35, verarbeitete. Darin hieß es unter anderem: »Yeah, I can love me better than you can.« Ob die neue Ehe halten wird? Well, warten wir Cyrus’ nächste Single ab.
Von geo.de
Netanyahu will sich begnadigen lassen: »Wenn Sie mich begnadigen, bleibe ich Ihr Freund.« Entdecken Sie hier noch mehr Cartoons.
Julian Fiebach
Schreiben Sie. Jemandem, der es gerade braucht. Ob per WhatsApp, Mail oder Harry-Potter-Eule, ganz egal. Hauptsache, Sie finden Worte, die sagen: Ich denke an Dich. Ich kann mir vorstellen, was Du gerade durchmachst. Ich bin da.
Ich bin sicher, Sie haben jetzt jemanden im Kopf, oder? In der Klinik. Allein zu Hause. Krank. Verzweifelt. Was auch immer. Nehmen Sie es als ein Zeichen. Schreiben Sie ihr oder ihm. Denn wenn es etwas gibt, was das alles da draußen ein bisschen erträglicher macht, dann sind es Menschen, die füreinander da sind.
Wenn es Ihnen schwerfällt, die richtigen Sätze zu finden: Hier hat meine Kollegin Maren Hoffmann eine Reihe guter Vorschläge .
Auf hellere Zeiten!
Einen schönen Abend. Herzlich
Ihr Jens Radü, Chef vom Dienst

vor 1 Tag
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