Den Helgoländern sind die Brötchen ausgegangen: Weil die letzte Bäckerei auf Deutschlands einziger Hochseeinsel vor einem Jahr schließen musste, leben die Insulaner nun buchstäblich aus der Konserve. Aber es gibt eine Idee, wie sich das ändern ließe.
SPIEGEL: Herr Wolf, wie lebt es sich ohne frische Brötchen?
Wolf: Da fällt schon was weg. Es gibt natürlich TK-Ware. Die Nachfrage ist ja da, und manche Hotels sind deswegen darauf umgestiegen. Aber das ist für alle Beteiligten nicht zufriedenstellend. Da ist ein großes Stück Lebensqualität weggefallen, und das ist auch ein Riesenthema auf der Insel – bei Einwohnern wie Touristen.
Privat
Adrian Wolf ist zugezogener Einwohner von Helgoland und arbeitet als Unternehmer und Projektentwicklung. Er ist Mitinitiator von inselgenossenschaft.de , dem Versuch der Gründung einer genossenschaftlichen Bäckerei auf der Insel.
SPIEGEL: Seit Ende 2024 gibt es bei Ihnen auf Helgoland keine Bäckerei mehr. Wie kommt das?
Wolf: Seit der Wiederbesiedlung von Helgoland 1952 gab es eigentlich immer ein paar kleine Bäckereien, aber nur eine größere mit einer eigenen Produktionshalle. Das war die Einzige, die bis in die jüngste Zeit erhalten blieb – und zwar in ihrer ursprünglichen Form seit den Sechzigerjahren, auch wenn es zwischendurch einen Eigentümerwechsel gab. Ende 2024 musste die bisherige Betreiberin dann leider aufgeben, sie war aus gesundheitlichen Gründen in die Insolvenz gerutscht. Das ist wichtig zu betonen: Das Geschäftsmodell an sich ist profitabel.
SPIEGEL: Das mit der Profitabilität scheint die Bank aber anders gesehen zu haben, wie Ihr Partner Mario Peterscheck dann erfahren musste.
Wolf: Nein, das hatte andere Gründe. Mario ist Bäckermeister und wollte die Bäckerei eigentlich übernehmen. Die Gemeinde hatte sich auch ein Vorkaufsrecht für das Grundstück gesichert, um zu verhindern, dass die Liegenschaft an Spekulanten geht – das läuft Ende des Jahres aus. Eigentlich war schon alles unterschriftsreif, aber eine Woche vor dem Notartermin hat die Bank auf dem Festland die Reißleine gezogen. Sie haben vor allem sein Alter als zu hohes Risiko eingeschätzt. Er ist übrigens gerade mal 52.
SPIEGEL: Und jetzt gibt es Zeitdruck.
Wolf: Wir haben auf Helgoland einfach keine Flächen, wo wir noch mal eine Produktionshalle für eine Bäckerei errichten können. Wenn hier etwas anderes hinkommt, wird es nie wieder eine Bäckerei auf Helgoland geben.
»Den Leuten fehlt der Butterkuchen von früher.«
SPIEGEL: Und wie kann man Helgolands letzte Bäckerei jetzt retten?
Wolf: Wir haben uns gedacht: Wenn es ein Einzelner nicht stemmen kann, dann muss man es gemeinsam in die Hände nehmen – wir wollen also eine Genossenschaft gründen. Es gibt ja schon einen Businessplan für eine hochmoderne Bäckerei mit einer Konditorei, auch mit einer Kantine für Hafenarbeiter, dafür benötigen wir eine Gesamtsumme von 1,35 Millionen Euro. Um niemanden auszuschließen, haben wir die Anteile auf 150 Euro festgesetzt. Wenn man solche Volumina zu stemmen hat, entscheidet man sich sonst eher für vierstellige Beträge pro Anteil.
SPIEGEL: Die offizielle Gründung der Genossenschaft ist in wenigen Tagen geplant. Wie ist die Resonanz bei Ihnen vor Ort?
Wolf: Es ist das Dorfgespräch Nummer eins. Seit zwei Wochen reden die Leute über nichts anderes. Ich komme ja eigentlich aus Süddeutschland, da sind Genossenschaften weitverbreitet, aber hier kennt man das nicht so. Neulich haben wir eine Infoveranstaltung gegeben, besonders für Senioren, die fanden das klasse, dass es diese Idee gibt. Am Ende bekamen wir Standing Ovations.
SPIEGEL: Aber bekommt man auf diese Weise 1,35 Millionen Euro zusammen?
Wolf: Helgoland ist ein touristischer Ort, und dementsprechend hat ein solches Projekt auch große Strahlkraft. Es gibt auch viele Urlauber oder Leute, die anderweitig eine Verbindung zur Insel haben, und auch die unterstützen uns in großer Anzahl. Wir haben in den vergangenen elf Tagen Absichtserklärungen zum Kauf von Anteilen in Höhe von 400.000 Euro erhalten. Dafür sind wir sehr dankbar.
SPIEGEL: Und woher kommt der Rest?
Wolf: Mehrere institutionelle Anleger – etwa zwei Reedereien – haben ihre Unterstützung schon zugesagt, aber die Höhe muss noch verhandelt werden. Außerdem gibt es sehr viele Fördertöpfe, die allein für Genossenschaften infrage kommen, wie auch Fremdfinanzierungsmodelle – also ein Bankdarlehen.
SPIEGEL: Wenn ein Großteil der Insulaner selbst zum Bäckerei-Miteigner wird: Will dann nicht jeder mitreden, was er beim Bäcker kaufen kann?
Wolf: Es gibt hier tatsächlich eine hohe Erwartungshaltung an den Mario, was der backen soll. Aber das ist im Grunde überall so, jeder Ort hat seine kulturellen Eigenheiten. An diese Vergangenheit wollen wir anknüpfen, aber natürlich darf und soll Mario auch seine eigenen Produkte machen.
SPIEGEL: Was fehlt denn den Leuten auf der Insel am meisten?
Wolf: Butterkuchen, Brötchen und Schwarzbrot von früher, sagen sie. Und das alles wird es definitiv geben.

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