Eigentlich sollte sie schon längst offen sein, die Grenze zwischen Ägypten und dem Gazastreifen, sollten Lastwagen mit Hilfsgütern durch den Übergang Rafah fahren, sollten verletzte Palästinenser das Land verlassen dürfen. Doch bis heute ist die Grenze zu. Und selbst, wenn sie bald geöffnet wird, ist nicht klar, in welche Richtung. Nur in eine? Oder beide?
Die für den Grenzübergang zuständige israelische Koordinierungsstelle für Regierungsaktivitäten in den besetzten Gebieten Cogat hat am Mittwoch mitgeteilt, dass Rafah „in den kommenden Tagen ausschließlich für die Ausreise von Bewohnern des Gazastreifens nach Ägypten geöffnet wird“. Man habe entsprechende Vereinbarungen mit dem Nachbarland Ägypten getroffen, hieß es aus Jerusalem. Ausreisewillige Palästinenser müssten sich eine Sicherheitsfreigabe bei den israelischen Behörden holen, Sicherheitskräfte der Europäischen Union auf der palästinensischen Seite von Rafah werde die Ausreise koordinieren. Von einer umgekehrten Öffnung, die Hilfslieferungen erlauben würde oder gar die Einreise von Palästinensern, war keine Rede.
Die Klagen über die Gebühr für einreisende Palästinenser hört man in Kairo nicht so gern
Widerspruch kam aus Kairo, die Regierung von Präsident Abdel Fattah al-Sisi dementierte prompt, dass es zu einiger Einigung mit Israel gekommen sei. Der Gaza-Plan von US-Präsident Donald Trump sieht vor, dass der Grenzübergang für beide Seiten geöffnet werde. Sollte dies nicht geschehen, werde Ägypten seine Seite gar nicht öffnen, drohte die Regierung.
Die Machthaber in Kairo klagen seit Kriegsbeginn darüber, dass Israel zu wenig Hilfe nach Gaza lasse. Sich selbst sieht die Regierung von Sisi als Wohltäter, der verletzte Palästinenser behandelt und die Sache Palästinas vertritt. Was man in Kairo nicht so gern hört, sind die Klagen vieler Palästinenser, die an das korrupte Regime 5000 bis 10 000 Dollar für den Grenzübertritt zahlen mussten. So kamen für die Regierung und ihre Freunde schätzungsweise eine halbe Milliarde Dollar zusammen. Mit denen hätte vielen Palästinensern geholfen werden können, die mittellos in Ägypten gestrandet sind. Sie bekommen aber keine staatliche Unterstützung.
Etwa 100 000 Palästinenser sind in den vergangenen zwei Jahren über Rafah nach Ägypten eingereist, und viele von dort weiter in die Welt. Zehntausende sollen sich aber noch in Ägypten befinden, die Regierung in Kairo hat großes in Interesse an ihrer Rückkehr: Weil sich dann die Möglichkeit ergeben könnte, beim Grenzübertritt erneut abzukassieren. Und aus politischen Gründen; möglichst viele Palästinenser sollen in Palästina bleiben, und einen eigenen Staat einfordern.
Wer den Gazastreifen verlässt, muss damit rechnen, nicht mehr zurückzukönnen
Israel hat genau das gegenteilige Interesse; möglichst viele Palästinenser sollen die besetzten Gebiete verlassen, damit sich der eigene Staat von selbst erledigt. Wer den Gazastreifen verlässt, muss damit rechnen, nicht wieder nach Hause zu dürfen. Israel sucht seit Monaten nach Ländern, die aus dem Gazastreifen vertriebene Palästinenser aufnehmen könnten. Mit Libyen soll verhandelt worden sein, mit Südsudan und Somalia. Vor einigen Tagen wurden Hunderte Palästinenser nach Südafrika ausgeflogen. Das Flugzeug tauchte dort einfach auf, die Behörden waren überrascht.
Israel versucht vieles, damit noch mehr Palästinenser gehen: Auch nach dem Friedensabkommen zerstört die Armee Häuser und Infrastruktur, damit der Wunsch nach Rückkehr sich in Grenzen hält. Ebenfalls am Mittwoch kündigte eine israelische Regierungssprecherin an, der Grenzübergang werde dann in beide Seiten geöffnet, wenn auch die letzte Geisel heim gekehrt sei.
Die Hamas hatte in dem Abkommen zugesagt, dass sowohl die 20 noch lebenden Geiseln, als auch die Überreste der 28 verstorbenen innerhalb von 72 Stunden übergeben werden. Mittlerweile sind seit der Unterzeichnung aber fast zwei Monate vergangen, und noch immer fehlt ein Toter: Ran Gvili, der 24 Jahre alt war, als er verschleppt wurde. Die Hamas behauptet, wegen der großen Zerstörung im Gazastreifen habe sich die Übergabe verzögert. Letztlich gehören Verzögerungen seit Jahrzehnten zum Spiel der Terrorgruppe. Leidtragende der andauernden Schließung des Grenzübergangs Rafah sind etwa 16500 schwer kranke oder verletzte Palästinenser, die eine medizinische Behandlung im Ausland benötigen und nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation derzeit darauf warten, aus dem Gazastreifen gebracht zu werden.
Seit Inkrafttreten des Waffenstillstands seien nur 235 Patienten, fast ausschließlich Kinder, über andere Grenzübergänge nach Israel geholt worden. Auch wenn sich Ägypten und Israel grundsätzlich einigen sollten, könnte die Sicherheitslage die Öffnung gefährden. Immer wieder kommt es im Gazastreifen trotz des vereinbarten Waffenstillstands zu Kämpfen. Am Mittwoch lieferten sich die Hamas und die israelische Armee Gefechte in Rafah.











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