EU verfehlt Wasserstoffziele: Grüner Energieträger ist noch viermal zu teuer

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Der saubere Wasserstoff, der Europa bei der Energiewende entscheidend voranbringen soll, bleibt eine teure und ferne Vision. Die EU-Agentur für die Zusammenarbeit der Energieregulierungsbehörden (Acer) zieht in ihrem neuen Prüfbericht eine ernüchternde Bilanz: Die EU ist demnach weit davon entfernt, ihre hochgesteckten Ziele für die Wasserstoffproduktion zu erreichen. Der als „grün“ klassifizierte Energieträger, der mittels Elektrolyse und Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind- und Solarkraft gewonnen wird, ist trotz milliardenschwerer Subventionen preislich nicht wettbewerbsfähig.

Die Diskrepanz zwischen politischer Ambition und Marktrealität ist laut der Acer-Analyse groß. Die EU hat sich bis zum Ende des Jahrzehnts ein massives Ausbauziel von 40 Gigawatt (GW) Elektrolysekapazität gesetzt. Zählt man die nationalen Zielvorgaben der Mitgliedstaaten hinzu, könnte die Zahl sogar bei 48 bis 54 GW liegen. Experten werten diese Vorgaben schon seit Längerem als Ausdruck der mehrjährigen Wasserstoff-Euphorie in Brüssel. Hinzu kommt die Absicht, jährlich 10 Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoffs zu produzieren.

Doch zur Halbzeit auf dem Weg zum 2030-Ziel und nach rund 20 Milliarden Euro an Subventionen aus Brüssel, die für die Wasserstoff-Finanzierung bereits freigegeben wurden, ist die tatsächliche installierte Kapazität verschwindend gering.

Die gebauten Elektrolyseure erreichten 2024 lediglich einen Umfang von 308 Megawatt (MW). Das stellt zwar eine Steigerung der Kapazität um 51 Prozent im Vergleich zum Vorjahr dar. Doch entspricht es nur etwa 0,5 Prozent des Zwischenziels von 6 GW bis 2024.

Acer zufolge reicht das aktuelle Marktwachstum bei Weitem nicht aus, um eine realistische Bahnkurve hin zu den 2030-Zielen einzuschlagen. Die Agentur warnt: Um die notwendige Skalierung zu erreichen und Kosten zu senken, sei eine substanziell schnellere Expansion unerlässlich.

Einer der Hauptgründe für die fehlende Dynamik ist der Preis. Die hochtrabenden Prognosen, wonach grüner Wasserstoff bald mit dem aus Erdgas gewonnenen preislich konkurrieren könne, haben sich nicht erfüllt. Die klimafreundliche EU-Variante des Wasserstoffs kostet rund 8 Euro pro Kilogramm. Konventionell aus Erdgas gewonnener Wasserstoff, dessen Produktion enorme Treibhausgasemissionen verursacht, liegt dagegen bei nur knapp über 2 Euro pro Kilogramm. Acer geht davon aus, dass sich an diesem Preisgefälle zumindest kurz- bis mittelfristig nichts ändern wird.

Die Kostenexplosion liegt dem Report zufolge an einer Kombination von Faktoren wie hohen Kapital- und Stromkosten der Elektrolyseure im Vergleich zu den aktuellen Gas- und CO₂-Preisen. Die langsame Bereitstellung solcher Anlagen zur Wasserstofferzeugung verzögere ferner die notwendigen Skaleneffekte und so auch die erwarteten Kostensenkungen.

Die Stromversorgungskosten könnten zudem bis zu 50 Prozent der gesamten Wasserstoff-Erzeugungskosten ausmachen. Regionen mit reichlich erneuerbaren Energien, wie etwa Spanien, böten zwar bereits vorteilhafte Bedingungen. Doch die beschleunigte Dekarbonisierung des gesamten Stromsektors sei der Schlüssel zur Senkung der Wasserstoffkosten in der ganzen EU.

Erschwerend kommt für Acer die regulatorische Unsicherheit hinzu, die die Investitionszurückhaltung verschärft und Projektstornierungen nach sich zieht. Das Fehlen einer klaren Rechtsgrundlage führe zu Verzögerungen und erhöhe die Nervosität bei Investoren. So haben Stand Oktober 2025 lediglich Dänemark und Irland die geänderte Erneuerbare-Energien-Richtlinie und die darin enthaltenen verbindlichen Ziele für erneuerbare Kraftstoffe nicht-biologischen Ursprungs vollständig in nationales Recht umgesetzt.

Als mögliche Brückentechnologie betrachtet die Agentur blauen, CO₂-armen Wasserstoff. Dieser wird aus Erdgas in Verbindung mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) hergestellt. Mit geschätzten Produktionskosten von knapp unter 3 Euro pro Kilogramm wäre dieser Weg derzeit deutlich wettbewerbsfähiger als die grüne Variante.

Acer mahnt jedoch zur Vorsicht: Die Technologie stecke noch in den Kinderschuhen, die Kosten für den CO₂-Transport und die Speicherung seien ungewiss. Vor allem bergen langfristige Gasabnahmeverträge das Risiko, eine Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu zementieren und die Akteure der Preisvolatilität des globalen Erdgasmarktes auszusetzen.

Um den Sektor wieder auf Kurs zu bringen, formuliert die Agentur eine Reihe dringender Empfehlungen: Die Umsetzung der Erneuerbaren-Richtlinie und des Wasserstoff- und Gas-Dekarbonisierungspakets müsse beschleunigt werden. Fördermittel sollten auf Sektoren mit schwer vermeidbaren Emissionen konzentriert werden. Diese seien am ehesten bereit, auf erneuerbaren Wasserstoff umzusteigen, um die Nachfrage anzukurbeln.

Auch Genehmigungsverfahren für Elektrolyseure und Projekte zur Erzeugung erneuerbaren Stroms müssten beschleunigt werden, verlangt die Regulierungsgruppe. Vor einem großflächigen Einsatz von CO₂-armen Wasserstoff seien auch die damit verbundenen Risiken – einschließlich der Kosten und des Lock-in-Effekts – gründlich zu bewerten. Der Markt benötige einen Nachfrageschub, um Skalierungseffekte zu ermöglichen und die Kosten für den klimafreundlichen Energieträger endlich zu senken.

Im Herbst kamen Forscher im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums zu dem Schluss, dass der Wasserstoff-Hochlauf auch hierzulande nur schleppend in Gang komme. Die Bereitstellungskosten für diesen „Champagner der Energiewende“ seien deutlich höher als die aktuelle Zahlungsbereitschaft, was die Marktnachfrage bremse. Das 10-GW-Ziel für heimische Wasserstofferzeugung bis 2030 scheine kaum erreichbar.

(wpl)

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