Energiewende: Energieversorger setzen verstärkt auf Stromspeicher statt Wasserstoff

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Die Energiebranche verliert den Glauben daran, ihr Gasgeschäft mithilfe von Wasserstoff in eine klimaneutrale Zukunft zu retten. In einer Befragung der Beratungsfirma Horváth unter 91 Versorgern aus dem deutschsprachigen Raum gaben rund 65 Prozent der Unternehmen an, sie wollten ihre Investitionen in Gasleitungen in den nächsten Jahren zurückfahren. Stattdessen wollen fast alle Befragten mehr Geld in Batterien investieren: Zwei Drittel der Umfrageteilnehmer planen, ihre Ausgaben für Stromspeicher mindestens zu verdoppeln. Knapp 70 Prozent der Befragten wollen bis zum Jahr 2028 in das Geschäftsfeld einsteigen.

»Die Einschätzung, dass Gasnetze künftig keine zentrale Rolle mehr spielen werden, verstetigt sich«, heißt es in der Studie. »Im Gasgeschäft überwiegen Stagnation und Rückgang.«

Die Ergebnisse sind bemerkenswert, da weite Teile der Energiewirtschaft im Streit über das sogenannte Heizungsgesetz davor warnten, die Zukunft von Gasleitungen vorschnell abzuschreiben und zu einseitig auf Wärmepumpen zu setzen. Dahinter stecken auch wirtschaftliche Motive: Deutschlands Gasnetze sind fast 600.000 Kilometer lang und bescheren den Betreibern bisher planbare Gewinne.

Doch das Geschäft gerät allmählich unter Druck: Tendenziell steigende CO₂-Preise verteuern Erdgas. Der Bund und die EU verlangen von der Branche absehbar Pläne zum Ausstieg aus der Erdgasversorgung. Vielerorts hat die kommunale Wärmeplanung begonnen, in der es um Alternativen zum Erdgas geht. Und wenn mehr Verbraucher auf Wärmepumpen oder Fernwärme umsteigen, verteilen sich die Kosten für den Betrieb der Gasleitungen auf weniger Abnehmer. Das lässt zusätzlich die Netzentgelte steigen. Gas wird noch unattraktiver.

In der Umfrage äußerten 61 Prozent der Unternehmen die Erwartung, ihr Gasnetz bis zum Jahr 2040 signifikant zurückzubauen oder stillzulegen. Nur noch vier Prozent der Befragten sehen Potenzial, Gasleitungen vollständig auf Wasserstoff umzustellen; dieser Anteil hat sich gegenüber der gleichen Umfrage im Vorjahr halbiert.

Drei- bis viermal so teuer wie Erdgas

Dass die Hoffnung auf eine Wasserstoff-Zukunft schwindet, liegt auch an hohen Kosten: »Wasserstoff ist, Stand jetzt, dreimal so teuer wie Erdgas und dies wird auch in den kommenden Jahren so bleiben«, sagt Horváth-Berater Matthias Deeg. »Deshalb fehlt die Perspektive, dass es viele Abnehmer geben könnte.« Wasserstoffleitungen entstünden bislang praktisch nur mit staatlicher Förderung.

Der Befragung zufolge erwarten viele Versorger zumindest kurzfristig kaum Nachfrage nach Wasserstoff. »Die Chemie- und Stahlindustrie hat derzeit nicht die Zahlungsbereitschaft für teuren Wasserstoff«, so Deeg. Mittel- bis langfristig erwarten die befragten Firmen gleichwohl eine wachsende Nachfrage von Industriebetrieben sowie Potenzial für Wasserstoff als Treibstoff für Lastwagen und Busse.

Mit der neuen Sympathie für Batteriespeicher reagieren die Unternehmen auf den strammen Ausbau der Solar- und Windenergie in den vergangenen Jahren. In manchen Stunden führen die erneuerbaren Energien zu einem Überangebot an Strom in Deutschland. Gleichzeitig gibt es aber auch teure Phasen an der Strombörse in Zeiten mit wenig Wind und Sonnenschein. Batterien könnten zumindest dazu beitragen, solche Schwankungen innerhalb eines Tages auszugleichen. Und sie können in unmittelbarer Nähe zu einem Solar- oder Windpark helfen, den erzeugten Strom besser über den Tag verteilt ins Netz einzuspeisen.

Netzbetreiber haben in Deutschland bereits Anschlüsse für neue Großbatterien mit einer Gesamtleistung von Dutzenden Gigawatt zugesagt. Viele weitere Anträge liegen vor. Die Branche kommt kaum hinterher, die Anfragen zu bearbeiten, und fordert mittlerweile neue Regeln vom Bund, um die Vorhaben sinnvoll priorisieren zu können. Schließlich wollen die Netzbetreiber nicht nur Speicher anschließen, sondern zum Beispiel auch noch Kapazitäten für neue Rechenzentren oder Großwärmepumpen übrig haben.

Der Ansturm dürfte mittelfristig Folgen haben: Viele der befragten Versorger räumen selbst ein, dass die Rentabilität von Speichern ab 2030 zurückgehen dürfte: Der hohe Zubau sättige den Markt zunehmend.

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