DFB-Pokal: FC Bayern München siegt bei Union Berlin: Die Bayern eiern

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Auch Josip Stanišić (l.) wirkt nicht ganz so zufrieden

Auch Josip Stanišić (l.) wirkt nicht ganz so zufrieden

Foto: Soeren Stache / dpa

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Kurz vor Schluss erhielt Serge Gnabry den Ball zugespielt und donnerte ihn darauf lang und weit heraus aus der eigenen Hälfe irgendwo ins Nichts. Befreiungsschläge, wie es die vierschrötigen Klub-Ahnen des FC Bayern München, Klaus Augenthaler oder Bulle Roth, früher gemacht haben.

Von Gnabry ist man so etwas hingegen nicht gewohnt, er ist einer, der spielerische Lösungen bevorzugt. Aber in dieser Situation wusste er sich auch nicht mehr anders zu helfen: nur weg mit dem Ball aus der eigenen Gefahrenzone.

Durchatmen statt Triumph

Letztlich war diese brachiale Methode erfolgreich. Die Bayern haben den 3:2-Vorsprung im DFB-Achtelfinale bei Union Berlin über die Zeit gerettet, stehen – anders als in den Vorjahren – wieder unter den besten Acht und können insofern achselzuckend behaupten: alles okay. Sie könnten sich wie Per Mertesacker dereinst bei der WM 2014 vor die Journalisten stellen und fragen: Wat wollense?

Aber so hörten sie sich nicht an: »Viele hohe Bälle, viele Zweikämpfe, viele Standards. Wir hatten die volle Packung heute wieder«, kommentierte Bayern-Verteidiger Konrad Laimer und sprach von einem »sehr, sehr wichtigen Sieg«. Sie wussten alle beim FC Bayern nach der Partie, an welch seidenem Faden das Weiterkommen gehangen hatte. Durchatmen statt Triumph.

Statistiken sprechen für Union

Die Spielstatistik wies am Ende 16:8 Torschüsse auf, ein Expected-Goals-Verhältnis von 2,69 zu 0,74, 22:6 Flanken – alle diese Zahlen eben nicht zugunsten des Favoriten aus München, sondern der Berliner Gastgeber. Die zweite Halbzeit war im Grunde nur noch ein einziges verzweifeltes Verteidigen der Münchner – so wie sie es vor Wochen schon einmal in der Champions League glücklich überstanden hatten.

Klassisches Joshua-Kimmich-Bild

Klassisches Joshua-Kimmich-Bild

Foto: Lisi Niesner / REUTERS

Dort hatte der Gegner allerdings Paris Saint-Germain geheißen, das ist der aktuelle Sieger der Champions League, und nicht 1. FC Union Berlin. Gegen PSG konnte man sich für diesen löwenmutigen Abwehrkampf in Unterzahl noch zu Recht feiern lassen, gegen Union hingegen war es ein Alarmzeichen.

Sogar Kompany wird dünnhäutig

Die Souveränität der vergangenen Monate, mit der die Bayern durch alle Wettbewerbe gesurft sind, sie ist dabei, sich aufzulösen. Dazu passte, dass sich Bayern-Trainer Vincent Kompany vorrangig über den Elfmeterpfiff von Schiedsrichter Martin Petersen aufregte, der zum 1:2 der Berliner führte. Vor Wochen hätte er eine solche Entscheidung vermutlich lässig heruntergespielt.

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Schließlich gehört es zu Kompanys großen Qualitäten, dass er praktisch nie Hektik oder künstliche Erregung verströmt. Aber die Bayern sind anfälliger geworden. Und das heißt bei ihnen auch immer: dünnhäutiger.

Mit dem 2:2 bei Union fing es an

Dabei schließt sich mit der Partie in der Alten Försterei, die man an diesem Dezemberabend getrost in Kalte Försterei umbenennen konnte, ein Kreis.

Kompany wirkte selten genervt

Kompany wirkte selten genervt

Foto: Odd Andersen / AFP

Die Bayern eiern dem Weihnachtsfest entgegen, ergebnistechnisch hat das alles noch keine Auswirkungen, es sind eher Haarrisse in der Struktur. Die fußballerischen Edelfedern Michael Olise und Luis Díaz, in den Vormonaten berechtigt hochgelobt, scheinen dringend eine schöpferische Pause zu benötigen.

Standardtore – diesmal umgekehrt

Und auch für einen Lennart Karl mit seinen 17 Jahren gibt es Grenzen, wenn auf der anderen Seite ein Team steht, das sozusagen mit dem Messer zwischen den Zähnen in jeden Zweikampf geht. Noch dazu aufgeputscht von dem unermüdlichen Singsang des Publikums, das sich und dem Gegner keine Sekunde Pause gönnt.

In den Spielen zuvor waren die Schwächen der Bayern bei den Standardsituationen das große Thema gewesen – in der Liga hatte Union seine beiden Treffer gegen den Tabellenführer nach Eckbällen erzielt. Da ist es schon eine lustige Anekdote, dass die Bayern nun einen Monat später spiegelverkehrt zu damals ihre drei Tore zwei Eckstößen und einer Freistoßsituation zu verdanken hatten.

Eigentor Nummer zwei von Union Berlin

Eigentor Nummer zwei von Union Berlin

Foto: Odd Andersen / AFP

Was nicht bedeutet, dass die Münchner plötzlich zu Standardspezialisten mutiert wären. Bei den Toren war auch Glück dabei, zweimal beförderten Union-Spieler den Ball ins eigene Netz. Das war nicht das Resultat einer besonders kreativen Ausführung durch die Bayern, sondern das Ergebnis fahriger Abwehrarbeit der Berliner. Die sich zwei der drei Bayern-Tore ins eigene Netz legten.

Berliner Ecken verhindert

Was die Münchner hingegen deutlich besser als im Ligaspiel gemacht haben: Sie schafften es, Eckbälle der Unioner zu verhindern. Stattdessen bugsierten sie den Ball immer wieder ins Seitenaus, sodass der Einwurfspezialist von Union, Tom Rothe, am Ende seines Arbeitstages eine Sehnenscheidenentzündung im Handgelenk wegen akuter Überlastung davongetragen haben dürfte.

Eckbälle hingegen gestatteten sie den Unionern so gut wie gar nicht, nur zweimal kam es in den 90 Minuten dazu, und da wurde es auch gleich wieder brenzlig im Bayern-Strafraum. Vor vier Wochen hatte Union noch sechs Eckbälle gegen die Bayern herausholen können. Was damals bedeutete: sechsmal Torgefahr, sechsmal eine ungeordnete Bayern-Abwehr. Das hat man diesmal erfolgreich vermieden.

Bis Weihnachten heißen die Gegner in der Bundesliga VfB Stuttgart, danach mit Mainz 05 und dem 1. FC Heidenheim zwei Abstiegsaspiranten, die Tabellenführung sollte daher locker gesichert sein. In der Champions League meint es der Spielplan jetzt auch wieder besser mit den Münchnern: Sporting Lissabon, Union Saint-Gilloise und die PSV Eindhoven beschließen als Bayern-Gegner die Gruppenphase, auch das liest sich erst einmal entspannt.

Aber das braucht die Mannschaft jetzt ganz offensichtlich auch, Gegner, die sie nicht bis an die Grenze ihres Leistungsvermögens fordern. Denn das können die Bayern derzeit offenbar nicht mehr leisten: Bis an die Grenze gehen.

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